Häusliche Gewalt
Auf Liebe folgt Prügel
3Sat Dokumentation 3. Sept. 2019
Verliebt Verlobt Verprügelt
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Hier geht es um
DURCHGÄNGIGE, andauernde, brutale Gewalt, krankhaftes Verhalten des Partners,
und auch danach als ExPartner. Vergewaltigungen, Demütigungen, durchgängiges
Prügeln, ständige Übergriffe…
Krankhaft besitzergreifende Täter
In einer Dokumentation vom 3. September 2019 wurde noch einmal aufgezeigt, wie manipulativ die emotionalen Mechanismen zwischen Täter und Opfer bei Häuslicher Gewalt greifen. Wie krankhaft besitzergreifend die Täter vorgehen, die auch vor schwerem Stalking und sogar Mord nicht zurückschrecken.
Es fängt immer an
mit systematischer Isolierung
„Nur wir beide Schatz, die anderen stören unsere Zweisamkeit, ich bin viel lieber mit dir alleine.“
Natürlich kennen wir diese Zweisamkeitswünsche von uns selbst, deshalb ist es auch schwer, diese als was Schlechtes, oder was Verwerfliches zu sehen. Ab und zu ist man eben gerne mal nur unter sich. Aber Vorsicht, wenn es systematisch in Richtung Isolation und Abspaltung von der Außenwelt geht. Die sogenannten Isolierer oder Separiere möchten euch jeglichen Rückzugsweg abschneiden. Es soll keine Möglichkeiten des Austausches mit Freunden mehr geben. Wenn ihr langsam das Gefühl bekommt, etwas stimmt nicht, entweder mit ihm, mit euch, oder eurer Wahrnehmung, ist die soziale Isolation vielleicht schon erreicht.
Dann folgen Vorwürfe und extreme Eifersucht
Eiversüchteleien, die sich in massive Vorwürfe umwandeln.
„Du magst die anderen mehr als mich. Du widmest denen viel mehr Zeit. Du liebst mich nicht. Redest du schlecht über mich? Der Freund von blabla hat dich immer angeguckt„
Später Beleidigungen und Beschimpfungen
Jeglicher
Art. Du sollst erniedrigt werden und dich ganz klein fühlen. Du sollst dich schlecht
und schuldig fühlen. Ein schlechtes Gewissen bekommen und es mit Mitleid
verklären. Das nennt man Umkehr der Verantwortlichkeiten. Zu dem Zeitpunkt hat
der Aggressor schon die totale emotionale Macht über dich. Diese Rolle, in der
du steckst, findet man auch bei Co-abhängigem Verhalten. Die Rechtfertigungen
sind dieselben: „ich hab ihn doch so
lieb, er kann doch nichts dafür, es tut ihm so leid, er arbeitet daran, wir
machen eine Therapie etc.“
Schuldverschiebung
Du bist an allen Schwierigkeiten des Lebens Schuld. Du steckst in einem emotionalen Teufelskreis durch die permanente Manipulation deiner Schwachstellen. Partner mit dieser Persönlichkeitsstörung wissen genau, wo sie ansetzen müssen um dich in dein eigenes kleines Gefängnis zu stecken. Sobald die physische Gewalt einsetzt ist der Schlüssel für dich nicht mehr auffindbar.
Nahezu alle Männer geben der Frau die Schuld für die Gewaltausbrüche. Ganz wenige Männer suchen die Schuld bei sich selbst, oder realisieren, dass sie ein Gewaltproblem haben.
Liebe Schläge Versöhnung Teufelskreis
Eine wirklich gute Serie hierzu ist: big little lies. Nicole Kidman ist das Opfer von Alexander Starsgard. Sie kann sich nur mit Totschlag befreien. Gut dargestellt wird es u.a. durch die Attraktivität des Täters. (Eure Tyrannen sind ja keine fetten saufenden Ekelpakete. Es sind Männer die ihr mal geliebt habt). Aber natürlich in Rückblenden über ihren sukzessiven Rückzug aus dem Berufsleben und ihrem Freundeskreis. Dem Überschminken der Verletzungen. Der Schmerzmittelabhängigkeit, ihr Teufelskreis der sexuellen Abhängigkeit, von dem sie dachte, dies sei hilfreich für die Versöhnung und sie würde es mögen. Aber die jahrelange Gewalt hat auch sie verändert und sie wehrte sich und genoss es ebenso, ihn zu schlagen, so dass dies ihre Rechtfertigung vor sich selbst und später auch des Staatsanwaltes vor Gericht war, sie sei ja auch Täterin gewesen….
Schweigen und Scham
Oftmals leiden Frauen jahrelang. Schweigen Frauen jahrelang. Schweigen schützt allein die Männer.
Gefährlicher Ausstieg
Gefährlich
wird es für Frauen dann besonders, wenn sie sich erst nach Jahren entschließen
sich zu trennen. Jetzt hat der Mann viel zu verlieren, es geht ihm gar nicht mehr um die Partnerin
an sich, es geht um Macht- und Kontrollverlust. Sein Besitzdenken hat sich
inzwischen manifestiert. Eine Flucht ins Frauenhaus ist u. U. schon nicht mehr
ausreichend. Will er sie nicht gehen lassen. Ihr auflauern, sie töten. Sie darf
kein anderer haben, er muss obsiegen.
Kommen
wir nun zu dem Moment, in dem ihr es geschafft habt, euch zu befreien und sogar
einen Prozess anstrebt, damit euer Täter bestraft wird und oder euch die
Kinder/ Haustiere / Haushalt zugesprochen werden (tut mir Leid, aber es gibt
noch kein entspanntes Zurücklehnen….)
Denn
wichtig ist, dass der Täter wenigstens eine Freiheitsstrafe absitzen muss mit
der Auflage einer Therapie, damit ihr euch erholen könnt und die nächsten
Schritte überlegt. Wie zB selbst eine Therapie zu machen für die psychischen
Schäden die angerichtet wurden und der inneren Selbstbehauptung. Aufarbeiten
alter Rollenmuster. Und vor allem aber für die physische Selbstbehauptung:
Selbstverteidigungskurse!
In
einigen Fällen kann auch eine Paartherapie helfen. Ist es aber zu massiven
Gewalterfahrungen gekommen, rate ich davon ab, in Absprache mit erfahrenen
Therapeutinnen, zu diesem Partner zurückzugehen. Seine Persönlichkeitsstörungen
sind dann meistens zu schwerwiegend und festgefahren als dass sie sich
innerhalb von 120 Therapiestunden oder Absitzen der Strafe im Gefängnis beheben
ließen. Häufig reichen kleine Trigger, das eingesperrte „Monster“ wieder
hervorzulocken. Ja, diese Täter waren auch mal Opfer.
Aber
deswegen müsst ihr euch nicht für seine Leiden in die Verantwortung nehmen. Und
euch dadurch selber opfern. Oder eure Kinder- falls vorhanden.
80% der Strafprozesse scheitern aus Mangel an Beweisen
Vor Gericht werden die meisten Strafanzeigen eingestellt, weil die Frauen entweder aus Angst vor der Rache ihres Peinigers ihre Anzeige zurückziehen, oder weil sie die Tat nicht beweisen können. Ohne sichtbare Schäden (Verletzungen) sieht es schlecht aus mit einer Verurteilung. Die Urteile sind oft sehr milde. z.B. nur 4 Monate auf Bewährung trotz mehrfacher Vorstrafen.
Der Mangel an Beweisen ist ein sehr
schwieriges Thema. Wie oft hat man das schon gehört: die Polizei kann aufgrund
von Verdachtsmomenten oder Drohungen nichts unternehmen. Seit 2002 kann die
Polizei Täter aus der gemeinsamen Wohnung schmeißen, aber vorher musste es erst
zum Äußersten kommen.
Professionelle Beweissicherung geht nicht ohne Anzeige
Viele
Frauen wollen erst einmal den Beweis sichern, aber trauen sich noch nicht
direkt Anzeige zu erstatten. Dafür brauchen sie Zeit. (Hilfe und Beistand von außen, von Freunden, von
Hilfsorganisationen). Auch Jahre später hätten sie dann wenigstens Beweismittel
auf die das Gericht zurückgreifen kann. Heute wird von einigen Krankenkassen
wenigstens diese Beweismitteluntersuchung bezahlt. Aber längst nicht von allen.
Und die Pille danach muss sich die Frau mitten in der Nacht bei der Apotheke
noch selbst besorgen.
Zugang zu Fachleuten sollte von den Krankenkassen bezahlt werden!!!!– momentan müssen Frauen die
ärztliche Beweisdokumentation noch selbst zahlen. Nur wenn sie mit der Polizei
zum Arzt gehen übernimmt die Polizei die Kosten. Nur in Baden Württemberg gibt
es derzeit ein Notfallmedikationspack.
Was als Strafe hilft sind:
Höhere Freiheitsstrafen (Trennung vom Opfer) – Er kann sie in der Zeit nicht „besitzen“. Sie kann sich in der Zeit erholen / nachdenken / ausziehen / Selbstverteidigungskurse machen. Und Therapieauflagen (der Täter muss sich mit der Tat auseinandersetzen). Das nervt, hilft aber vielleicht doch irgendwann.
Gewalt an Frauen in Deutschland 2018
- 114 000 Frauen Opfer von Häuslicher Gewalt
- Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann seine Frau oder Exfreundin umzubringen
- Jeden 3. Tag gelingt ihm das auch
- 28657 Stalking- und Bedrohungsopfer
- 3086 Vergewaltigungen
- 1612 Freiheitsberaubung
- 122 getötet vom Partner / Expartner
- 83 Zwangsprostitutionen
Partnerschaftliche Gewaltdelikte
Kriminalstatistische Auswertung – Deutschland
Berichtsjahr 2018
dazu gehören: Mord und Totschlag, Körperverletzungen, sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung , Bedrohung, Stalking, Nötigung, Freiheitsberaubung, Zwangsprostitution
Delikte 2018 insgesamt
140.755 Opfer insgesamt
114.000 Opfer sind Frauen (das sind 81,3 %)
26.755 Opfer sind Männer (das sind 18,7 %)
Deliktart
60,9 % Vorsätzliche einfache Körperverletzung
23,0 % Bedrohung, Stalking und Nötigung
12,3 % Gefährliche, schwere Körperverletzung oder einer solchen mit Todesfolge
2,2 % Sexueller Übergriffen, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung
1,3 % Freiheitsberaubung
0,3 % Mord und Totschlag
Beziehungsstatus zwischen Täter und Opfer
38,7 % „Ehemalige Partnerschaften“
34,6 % „Ehepartner“
29,9 % „Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft“
Tatverdächtige unter Alkoholeinfluss
78 % nicht unter Alkoholeinfluss
23 % unter Alkoholeinfluss
Widerholungstäter
55 % Bereits zuvor in Erscheinung getreten
Diese Delikte sind alle polizeilich dokumentiert – nicht alle wurden
zur Anzeige gebracht und schon gar nicht alle tatsächlichen Taten wurden
überhaupt erfasst. Die Dunkelziffer von nicht registrierten Fällen ist
erheblich höher. Es heißt es werden nur 16% aller Taten bei der Polizei
gemeldet.
Mein Rat:
Beim ersten Gefühl des Erstickens und Unwohlseins hinterfragt euch selbst. Ist das normal? Wie fühlt ihr euch? Was waren eure bisherigen Rollen in euren Beziehungen? Gibt es ein Schema? Sucht den Dialog und hört genau zu was die Einstellung des Partners zu Frauen in seiner Familie aber auch allgemein betrifft. Was hat er erlebt? Vorsicht: ihr könnt ihn nicht retten! Traut auch hier eurem Instinkt und eurer Intuition: wenn das Unwohlsein anhält, dann geht, und zwar schnell. Sorgt für Transparenz in eurer Familie und eurem Freundeskreis. Ihr dürft nicht in die Vertuschungsfalle treten.
Solltet ihr Gewalt erlebt haben, begebt euch sofort in ein Krankenhaus und lasst Beweise sichern.
Und versucht Kraft zu
schöpfen und bitte bringt den Fall zur Anzeige. Denkt an die anderen Opfer. Die
meisten Täter sind Wiederholungstäter. Und denkt an euch. Die meisten Opfer
sind Mehrfachopfer. Lasst es nicht soweit kommen.
Vor allem also stärkt
euer Selbstvertrauen durch Selbstverteidigungstraining. Wenn euer „Besitzer“
von alleine geht, könnte es sein, dass ihr kein lohnendes Opfer wart. Noch
besser: sie interessieren sich gar nicht erst für euch!