Lange Zeit bin ich als junge Frau nicht auf die Idee gekommen, „Kampfsport“ zu machen. Vermutlich wäre es auch nie dazu gekommen, hätte ich über die Jahre hinweg nicht immer mal wieder prägende Begegnungen mit Mitmenschen gehabt, die manchmal nur unangenehm „schräg“ waren, mal von Alkohol enthemmt und übergriffig, mal bedrohlich bis offen gewalttätig. Wer sich viel unter Menschen begibt, lernt menschliches Verhalten in seiner ganzen, manchmal nicht immer so schönen Vielfalt kennen.
Mir wurde an einem bestimmten Punkt in meinem Leben klar, dass ich mich selbst wehren können muss, weil weder mein großer Hund noch ein männlicher Freund immer an meiner Seite sind, um mir notfalls zu helfen. Ich wollte für den Ernstfall vorbereitet sein. Und so stieg ich ins Wing Tsun ein und studierte die schönen Künste des Kampfes.
Nebenbei studierte ich auch andere „schöne Künste“. Graphik Design – Diplom im Jahr 2000
1. Technikergrad Im Laufe der nächsten Jahre absolvierte ich nacheinander alle 12 Schülergrade. Je mehr ich lernte, umso mehr wuchsen mein Selbstvertrauen wie auch mein Wunsch, Trainerin zu werden und meine Kenntnisse weiterzugeben. Ich hatte viel mit und an Männern trainiert und während meiner Trainerausbildung immer wieder festgestellt, dass sich der Unterricht für Frauen von dem für Männer wesentlich unterscheiden muss. Frauen werden anders angegriffen als Männer. Einen Mann interessiert im Training weniger, was er gegen einen würgenden anderen Mann ausrichten kann. Eine Frau wiederum sieht sich eher selten einem Zweikampf mit Fäusten ausgesetzt. Also habe ich mein Training für Frauen angepasst und 1995 in unserer Wing Tsun Schule die erste Frauenklasse gegründet.
Zum 1. Technikergrad (Trainer 1) ist folgender Aufsatz entstanden:
>> Mein Wing Tsun Lebenslauf
ERSTE WT-TECHNIKER ARBEIT
MEIN WING TSUN
LEBENSLAUF
Jiu-Jitsu-Aikido-ATK-ler Lehrgang
am 23.10. 1999
In der Halle verspüre ich plötzlich Unsicherheit. So
viele ausgebildete Kampfsportler haben sich hier versammelt, um von mir eine
professionelle Einführung in WT zu erhalten. Negative Gedankenmuster alter
Zeiten lähmen mich:“ Bin ich wirklich so sehr vom WT überzeugt, dass ich denen noch etwas
beibringen kann?? Wie kann ich mich unauffällig aus der Affäre stehlen??“. Zu
Oliver, meinem Assistenten und WT Trainingspartner, kommen mir denn auch nur
folgende Worte über die Lippen:“ Wir sind in der Höhle des Löwen, die sind hier
um uns zu testen, oder um sich zu beweisen, dass ihr Kampfsystem mehr taugt als
die anderen.“
Eine gemischte Gruppe von ca. 3O Jiu-Jitsu-, Aikido-und ATK- lern in ihren eindrucksvollen Kampfanzügen
hat sich inzwischen eingefunden und wartet gespannt auf den Beginn des
Lehrgangs und auf die Referentin: auf mich.
Trotz
Unsicherheit und großem Respekt vor der Situation, trete ich mit Mut und
Entschlossenheit ohne weiteres Zögern
mit festen Schritten in den Raum.
Mit einem leicht verschmitzten Lächeln verkündige
ich noch vor der offiziellen Begrüßung- sozusagen als Aufwärmübung – sämtliche
Bodenmatten, welche den kompletten Hallenboden bedecken, fortzuschaffen, da
diese uns in der realen Selbstverteidigungssituation auch nicht zur Verfügung stehen
würden:“ Wenn man hinfällt tut`s halt weh!“
Meine erste Amtshandlung! Sie verschafft mir gleich
zu Beginn des Lehrgangs genügend Respekt und Achtung.
Stolz über mich
selbst lasse ich meine Vergangenheit Revue passieren. Wann und wie hat sich
eigentlich mein Zutrauen an meine Kraft und Stärke so entwickelt?
Dies mit Sicherheit zu beantworten ist mir nicht möglich, in jedem Fall ist
es mir in meiner Kindheit und Jugend mit Treffsicherheit gelungen, die eine
oder andere brenzlige und demütigende Begebenheit, in der Macht missbraucht
wurde, mitzunehmen.
In meiner Kindheit
wurde ich z. B. einmal von zwei älteren Jungen aus meiner Schule unangenehm
angefasst.
REAKTION: Lähmung,
Ohnmacht, Wut.
LÖSUNG: Ich muss
mich wehren lernen und mache Judo zusammen mit meiner Freundin für ca. 2 Jahre. Beendet habe
ich dies letztendlich weil meine Freundin und ich uns nicht ständig im
Schwitzkasten haben mochten, und ich zu der Zeit durch das Judo und im Kampf
mit Nachbarskindern genug Selbstbehauptung erlangt hatte.
Um meinem Vater zu gefallen der sich als drittes Kind
endlich einen Jungen gewünscht hat, habe ich diese Rolle eingenommen. Umgekehrt
hat er in seiner autoritären Erziehungsform (Oberst a. D.) mich dann auch
härter angepackt. Daraus habe ich aus der Not eine Tugend gemacht.
Später, als
pubertierende Jugendliche, hatte ich drei Begegnungen mit Exhibitionisten, von
denen uns damals erzählt wurde, sie wären harmlos. Naiv und dumm kicherte ich
mit meiner Freundin an eben diesen „Harmlosen“ vorbei und wir mussten ein ums
andere Mal entdecken, dass Erwachsene nicht allwissend sind: Einer verfolgte uns.
REAKTION: Wir
wurden schneller, er ebenso.
Wir riefen imaginäre Freunde hinter der Mauer. Ich fühlte mich stark genug
meine Freundin zu beschützen. Bekam dann
aber doch selbst Angst, als die Haustür, an der wir inzwischen angekommen
waren, nicht schnell genug zu ging.
LÖSUNG: Polizei
angerufen.
Trotz meiner schon
vorhandenen bedrohlichen Erfahrungen, schien mich die unerschütterliche
Weltanschauung, dass ich unantastbar bin, weiterhin in ihrem Bann zu halten, so dass ich als Studentin
Autobahn getrampt bin !!! Für mich heute eine schier unglaublich provozierende
Blödheit. Diese zeigte sich unter anderem, dass ich einmal sogar bei zwei
Männern eingestiegen bin. Mein damaliger konstanter Begleiter war mein großer
Mischlingshund Bingo, der vermeintliche Beschützer. Vermeintlich insoweit,
als dass einer meiner Chauffeure nur trocken bemerkte: „Dem Hund schlag ich auf
die Schnauze, dann macht der nix mehr und dann bist Du dran!“ Oh. Glück gehabt hatte ich, dass es
ihnen reichte, mir nur Angst zu machen, da sie mich wie abgesprochen
abgeliefert hatten.
REAKTION:
versteckte Panik
LÖSUNG: mit gespielter Bestimmtheit auf
den Treffpunkt mit Freunden beharrend.
Als Lösung auf meine
Panikreaktion lief ich bei einer weiteren Begebenheit von dem Parkplatz quer
auf die Autobahn. Zuständig für diesen Fluchtversuch war ein Lastwagenfahrer,
der nach kurzer Zeit wieder anhielt
wegen angeblicher Blasenprobleme, links um den Laster rumging und sein bestes
Stück direkt vor der Beifahrertür zur Schau stellte. Ich krabbelte reflexartig
auf die Fahrerseite und leitete den oben angeführten Fluchtweg ein.
Ich lernte aus
diesen Situationen nicht, wie antastbar ich doch bin, sondern nur, dass mit
viel Reden, Bluffen und Reflexen gerade noch ein Entkommen war.
Dies sollte sich
entscheidend ändern, als ich Anfang 2O mit meinem damaligen Mitbewohner Streit
wegen des zu lauten Fernsehers hatte und ohne Vorwarnung ausgeknockt wurde (heute hätte ich seine
latente Gewaltbereitschaft gefühlt).
REAKTION+ LÖSUNG:
keine, wegen anschließender Bewusstlosigkeit.
Meine bis dato geglaubte Selbstwahrnehmung unantastbar zu
sein, verlor ihre Gültigkeit.
Mit Ende 2O schien
meine mir langsam auf die Nerven gehende Anziehungskraft auf solche Machtkämpfe
wieder vermehrt
aufzutreten:
In meiner damaligen
Wohnstätte musste ich mir mit dem Hauptmieter den Flur teilen. Als
zurückgewiesener Verehrer entwickelte er Hass und Machtkampf auf sehr
bedrohliche Art und Weise. Wieder wurde ein Abhängigkeitsverhältnis
missbraucht, dessen Auswirkungen sich in Auflauern, Telefonterror,
Stromabschalten bis hin zu Morddrohungen steigerte.
Durch meine Leidensfähigkeit blieb ich handlungsunfähig,
auch durch Hund und Freund (damals noch Taekwon-Do-ler, später Wing Tsun-ler), fühlte
ich mich nicht ausreichend gestärkt.
REAKTION: Ohnmacht,
Wut, Panik
LÖSUNG: nach
Eskalation inklusive Mordversuch, hinter abgeschlossener Tür Hammer in die Hand
genommen und kampfbereit.
Eine Deeskalation
fand statt durch einen weiteren Mitbewohner, der ihn ablenkte und zu sich rief. Abschließend
folgten konstante Bedrohungen meiner männlichen Freunde ihm gegenüber.
Jetzt reichte es
denn doch!
Auf die Idee
gebracht von meinem 7 Jahre jüngeren Bruder Otfried, für den ich
ironischerweise zu Kinderzeiten die Beschützerin darstellte, begann ich bei
ihm, bzw. seinem Lehrer Jörg Weber endlich meine WT Ausbildung (mit 3O
offizieller Eintritt in die EWTO in Bremen bei Si- Hing Hartmut Gebelein 1991).
Es wird nicht für
große Überraschung sorgen, dass
ich 1 Jahr später wieder in eine Gefahr hineinrutschte, die zumindest äußerlich
nicht von mir provoziert wurde (das Trampen hatte ich längst endgültig
aufgegeben. Ich hatte nun nach meinem Motorrad einen eigenen PKW).
Auf der
gegenüberliegenden Straßenseite begegneten mir 3 Ausländer, die meinetwegen die
Straße wechselten und mit frauenfeindlichen Sprüchen offensichtlich meine
Reaktion testen wollten.
REAKTION: Die Zeit
des Bluffens war vorbei, trotz Adrenalin und Angst. Ich schlug dem Erstbesten
mit dem Handrücken ins Gesicht.
Auf seine antwortende
Boxposition mit der Drohung mich alle zu
machen, ließ ich meine Einkaufstasche fallen und nahm wie gelernt die
Vorkampfstellung Wu-sau Man-sau ein und verbalisierte meine Machtdarstellung
mit den Worten „du hast die Ohrfeige verdient“…Das war sehr riskant – ich hatte einfach mehr Glück als Verstand, dass
mir in meiner Selbstüberschätzung nicht mehr passiert ist.
LÖSUNG: Angestaute Wut und Aggression loswerden (Punchingball).
Jahre später sollte
dies der Leitsatz in meinen Unterrichtsstunden als Trainerin werden: Nutze immer den Überraschungseffekt
Nach 3 Jahren
gezielten Trainings wurde ich ruhiger, meine Wut und meine Aggressionen konnten
kompensiert werden durch die Lehren des Wing Tsuns. Ich wurde
Assistenztrainerin des gemischten Trainings bei Otfried Glaser.
Meine Ausstrahlung
schien sich auch schon dahingehend verändert zu haben, dass ich nicht mehr in
abhängigkeitsmissbrauchende Verhältnisse geriet.
Aus meinem defensiven reaktiven Verhalten modifizierte sich aktives Angriffsverhalten
und Zivilcourage, wenn es denn die Situation tatsächlich erforderte. Zu Beginn
meiner WT- Ausbildung fokussierte ich mich auf den adäquaten Umgang mit dem
Escrima. Seitdem können aufmerksame Beobachter in jeder Etage meiner Wohnung
einen Escrimastock entdecken. Dieser Umstand sollte mir in folgender Situation
mit von Nutzen sein:
Ich war 33 und
hörte mitten in der Nacht eine Frau schreien. Niemand in dieser Straße
hätte besser helfen können als ich (nein, diesmal ist es keine Selbstüberschätzung mehr,
ich wusste es einfach). So nahm ich instinktiv meinen Escrimastock und
versteckte diesen hinter meinem Rücken.
REAKTION ? nein,
AKTION: ich verhielt mich zunächst (auch mit einem leichten Panikgefühl wie
gehabt) im Hintergrund und checkte die Lage: 2 Typen stehen, einer beugt sich
über die schreiende Frau, welche im Grünstreifen liegt und sich augenscheinlich
wehren will. Ich behalte die Stehenden im Auge um notfalls zuerst den Knienden k.o. zu schlagen und
dann die anderen. Mit Bestimmtheit
rufe ich: „Was ist hier
los!?“ und zeige mich. Zum Glück, wenn auch langweilig für die Leser, entschärfte
sich die Situation, indem mir die drei Verdächtigen (normale Passanten, die
ebenfalls Hilfestellung leisten wollten, wie sich herausstellte) sofort Rede
und Antwort standen: Das vermeintliche Opfer entpuppte sich als drogenkranke
Person, welche sich zu dem Zeitpunkt im akuten Rauschzustand befand und
dementsprechend unter Halluzinationen litt.
Meine innere
REAKTION verwandelte sich ohne direkte Bewusstwerdung in AKTION und integrierte
automatisch einen Lösungsweg. AKTION und LÖSUNG wird zu einer festen Einheit. Ein innerer Angstabbau
war nicht mehr nötig, zufrieden schlief ich ein mit der Sicherheit, im Notfall
tatsächlich aktiv werden zu können.
1995 absolvierte
ich den WT-Übungsleiter.
Anfang 1997
übernahm ich mit dieser beruhigenden Gewissheit und dem Gefühl auch wirklich die alleinige
Verantwortung übernehmen zu können, das Training im Frauenprojekt in der
WT-Schule Bremen.
Im Juni desselben
Jahres bestand ich die Prüfung zum 12. SG.
Ich erweiterte mein
pädagogisches Wissen (4 Semester Lehramtsstudium für Sport und Kunst in Freiburg und Bremen)
unter anderem durch die Erarbeitung neuer Unterrichtseinheiten mit aktueller
konzeptioneller Supervision, geleitet von Sigrun Glaser-Freyer
(Psychotherapeutin und Dozentin für Supervision und Selbsterfahrung an der Uni
Frankfurt).
Ich absolvierte
regelmäßig Vollkontakttraining mit Partnern aus anderen Kampfsportbereichen wie
Karate, Taekwon-Do,
Boxen, Kickboxen und Judo und zusätzlich umfangreiche Einsichten in die
Waffen-Abwehr und Angriffstechniken für die Selbstverteidigung im Alltag.
Dies sollte auch
wesentlich dazu beigetragen haben, dass ich mich- möglichst realistisch und
praktisch vorbereitend für meinen Unterricht- auf Angriffe von Männern gegen
Frauen, also auf Gewalt gegen Frauen allgemein, spezialisierte.
Ein weiterer Test
für die professionelle Entwicklung meiner WT Fähigkeiten stellte sich Ende 1997
ein, und zwar dahingehend, dass Gefühle und hemmende Gedanken durch komplett
reflexartiges Agieren ersetzt wurden.
(RE-) AKTION und LÖSUNG verschmolzen erneut:
In meiner Kneipe, in der ich als Tresenkraft jobbte,
bahnte sich eine bedrohlich nach Gewalt riechende Kontroverse an. Meine Reflexe
haben die Kontrolle übernommen und dadurch den negativen und hemmenden
Gedankenkonstrukten keine Chance gelassen.
Der kleinere
Arbeitsteil bestand darin, die Aschenbecher aus dem Weg zu räumen und einem der
Aggressoren mit Verbalattacken den Queue sowie sein Bierglas aus der Hand zu
nehmen.
In seinen Weg
gestellt mit Blick auf die Ausgangstür zeigte ich ihm an, dass ich ihn jetzt aus der
Kneipe schieben werde (unauffällige Kontaktaufnahme).
Das nächste woran
ich mich erinnere ist, dass ich danach sehr schnell 5 Meter auf ihn zuging, und
ihn dadurch an die Wand drückte (Druckaufbau), mit dem Abschluss, ihn durch
eine Abfolge von Kettenfauststößen außer Gefecht zu setzen.
Mein erster Kampf.
So cool wie zum
Zeitpunkt der Aktion war ich im Nachhinein natürlich nicht mehr.
Eine Mischung aus
Selbstbewunderung und Verzückung über die Tatsache, dass ES tatsächlich funktioniert und erhöhtem
Adrenalinspiegel ließen mich selbst zum Gast auf der anderen Seite des Tresens
werden.
Ein Jahr später
konnten mein Bruder Otfried und ich unsere Trainertätigkeit erweitern durch
Selbstverteidigungskurse für die BSAG Fahrer und Fahrerinnen.
Des Weiteren nahm
ich an dem Jahresprojekt der Stadt Bremen für Zivilcourage, mein Thema: Kannst
Du Dir selbst helfen, kannst Du auch Anderen helfen teil und lehrte in meinen zwei Kursen unter
anderem Tipps und
Tricks sowie WT gegen Gewalt im Alltag.
Zu guter Letzt
leitete ich im Oktober 1999 einen Landeslehrgang, veranstaltet vom Jiu- Jitsu Landesverband
Bremen zum Thema Einführung Wing Tsun (wahrer Grund des Veranstalters und
eigenes Interesse bestanden eher darin, eine freundliche Zusammenfügung von
verschiedenen Kampfsportlern und den Abbau von Vorurteilen anderen
Kampfsystemen gegenüber zu bewirken).
Mit viel
Einfühlungsvermögen, Überzeugungskraft und realitätsnahen Techniken und
Anwendungen (mal entspannt mit Humor, mal ernst kurz und schmerzhaft für den
potentiellen Aggressor vorgetragen) verschaffte ich mir von Beginn an
Sympathien und eine große Portion Respekt, was mich zufrieden über meine
Ausstrahlung und mein Können vor den ganzen kampfsporterfahrenen Schwarzgurten
und Dan-Trägern bis hin zu ganz finster und unerschrocken dreinblickenden
Antiterrorkämpfern souverän durch den Lehrgang führen ließ…
Ein erfolgreicher
Tag.
Dass viele Lehrgangsteilnehmer hinterher noch sehr interessiert waren an
weiteren Trainingsmöglichkeiten ist nur am Rande erwähnenswert.
Ich schreibe diesen Erfolg sowohl meinem Werdegang als WT
Schülerin bzw. Trainerin zu, als auch auf mein erlangtes Selbstbewusstsein und meine
Gelassenheit im Alltag und in traditioneller Weise auf meine Wing Tsun Familie, meinen Bruder
und Si-Hing und Ausbilder Otfried Glaser, meinen anderen Si-Hing Hartmut
Gebelein und meinem Sifu K. R. Kernspecht (für den ich diesen Lebenslauf im
Vertrauen sehr persönlich gestaltet habe), seinen Lehrer und meinen Si-Gung
Leung Ting, dessen Si-Fu, und dessen Si-Fu…in großer Dankbarkeit, und zolle
hiermit meinen Respekt.
Ich grüße Dich
Sifu!
Statistik und Ammenmärchen
2. Technikergrad In meinem nächsten Aufsatz habe ich all die Themen zusammengetragen , die im Laufe der ersten Jahre im Frauentraining immer wieder auftraten und für Diskussionen sorgten. Wie oft hörte ich Fragen wie: „wenn ich mich wehre, wird der Angreifer dann nicht noch wütender und brutaler? Wenn ich dem Angreifer in die Augen sehe, provoziert ihn das nicht unnötig?“ Erst als ich mich mit Statistiken des Landeskriminalamtes beschäftigte, konnte ich manche Fragen zufriedenstellend beantworten. Nutze Deine Chance, die Statistik spricht für die Gegenwehr!
Zum 2. Technikergrad (Trainer 2) ist der folgende Aufsatz entstanden:
>> Statistik und Ammenmärchen
ZWEITE WT-TECHNIKER ARBEIT
Statistik und Ammenmärchen
… oder wie das Zebra dem Krokodil ins
Auge beißt!
dpa. Tansania: Gestern geschah an einem Wadi eine für die Tierwelt ungeheuerliche Kräfteverschiebung: Massai konnten beobachten, wie sich ein Zebra, das sich schon in den scharfen Fängen eines Krokodils befand und unter Wasser gerissen zu werden drohte, mit einem gezielten Biss ins Auge befreien konnte…
So oder ähnlich hätte die Zeitungsmeldung zu der
Tierdokumentation, welche ich neulich im Fernsehen bewundern durfte, aussehen
können. Das Opfer
wehrt sich gegen den Täter und kommt tatsächlich mit dem Leben davon.
Die Schwächere gegen den Stärkeren? Schier unmöglich und scheint fast wider der
natürlichen Ordnung! Und so kommen wir auf direktem Wege zu
Ammenmärchen:
Quasi revolutionär und aufrührerisch die Geschichte
von dem Zebra, wenn man sich all die Ammenmärchen betrachtet, welche den
Frauen- den vermeintlich Schwächeren- seit jeher eingeimpft wurden und leider
auch noch werden. Welch ein Frevel, denn die Statistik beweist, dass die gut
gemeinten Ratschläge mit der Realität nicht mehr vereinbar sind. Der schlimmste
aller Ratschläge ist natürlich der, sich nicht zu wehren. „Vergewaltigt wirst
du so oder so, aber wenn du still bist, bleibst du vielleicht unverletzt (…),
am Leben“ etc. Weisheiten wie: „Frauen sind nun mal von Natur aus schwächer,
die haben keine Chance, wenn ein Typ richtig zuschlägt, egal ob sie mit den
Armen und Beinen fuchteln können…“, „Du bist eine Frau und traust dich ja doch nicht zu
schießen!“, „Zieh keine kurzen Röcke an,
dann passiert dir auch nichts“,… runden das Bild ab.
Bei häuslicher Gewalt heißt es meist: „Sieh doch
einfach zu, dass du ihn nicht ständig provozierst, du weißt doch wie er ist.“
Ein Therapeut hat dies bei einem deswegen zunächst „verstoßenen“ Mann von einer
Bekannten auf den Punkt gebracht: „Sie müssen sich ja auch wehren, wenn Ihre
Freundin sie ständig provoziert!“ Leider hat diese Frau- sie ist Psychologin-
irgendwann tatsächlich daran geglaubt, dass sie sein Ausflippen auch verdient
habe, weil sie ihn ja so schlecht behandelte. So dass sie nun wieder mit ihm
zusammen ist und sein Spiel mitspielt.
Und warum? Urschuld der Frau?
Eine andere Freundin, auch Psychologin und dazu in
meinen Augen eine sehr starke und kluge Frau, die sich von den Männern nichts
gefallen lässt, diskutierte mit mir sehr ernsthaft über besagtes- in meinen
Augen gefährlichstes- Ammenmärchen: Wehr dich nicht, dann geht’s. Augen zu und
durch! Auch sie bestätigte mir, dass sie ohne Kenntnisse und Beherrschung von
Selbstverteidigung Gleiches denken würde. Dabei fehle es ihr nicht an Ideen, den
Aggressor auszuschalten, sondern an Mut, Vertrauen in die eigene Kraft und
Überwindung der Hemmschwelle, jemandem weh zu tun, obwohl Frau gerade im
Begriff ist, selber massiv verletzt zu werden. In ihrer Fantasie sieht sie sich
natürlich als aggressive Kampfmaschine a la Luci Lu, aber was wäre in echt?
Sie traut sich zu, vollkommen gelähmt vor Angst zu sein.
Und warum? Fehlende Praktiken und Hemmschwellen .
Eine meiner besten Quellen aus
erster Hand waren meine beiden Kommissarinnen–
zwei Frauen, die während ihrer Ausbildung bei der Polizei meine WT-
Schülerinnen waren und mich regelmäßig mit Polizeiuntersuchungen, Täter- und
Opferbefragungen und den neuesten Statistikauswertungen versorgten. Sie waren
Frauen und sie kannten die Polizeistatistiken, waren demnach aufgeklärt. Eine
sehr unübliche Kombination. Das Interessante an den beiden war, dass sie genau
die gleichen Schlaghemmungen und Ängste hatten, wie all die anderen
Frauen, die mit dem Training begannen. Gegenwehr könne nur provozieren oder von
vornherein wirkungslos und sinnlos sein, die Brutalität und Tötungsabsicht des
Täters könnte sich durch Gegenwehr erhöhen (ah, die schönen Ammenmärchen) und
überhaupt, einem die Augen auszustechen, wäre doch ekelig, das könnten sie nicht.
Und warum? Typisch geschlechtsspezifische
Erziehung, Ängste und Hemmungen.
Wütend macht es mich und es ist
außerdem frustrierend für neue Teilnehmerinnen, wenn diese von ihren Partnern
zu Hause erzählen: jene stimmen nämlich ganz gönnerhaft dem neuen Hobby ihrer
Freundin prinzipiell zu, aber setzen natürlich nach: „Gegen die Kraft eines
Mannes hast du im Ernstfall sowieso keine Chance! Zeig doch mal was du schon gelernt hast!“ Natürlich
können sie nach zwei oder drei Stunden dem Mann noch nicht überlegen sein und
er hat scheinbar gewonnen mit seinen Einschüchterungsversuchen. Noch.
Und
warum? Resignation vor der
physischen und psychischen Omnipotenz
des Mannes.
Der scheinbare Gewinn, einer noch
brutaleren Gewalttat entkommen zu sein, kommt uns Frauen unbewusst entgegen.
Denn die Angst zu kämpfen ist größer als die Angst zu leiden.
Wie kommt es aber, dass wir
immer noch die Opferrolle für uns beanspruchen und was kann dagegen unternommen
werden?
Bevor wir uns den Lösungsvorschlägen widmen, müssen
wir natürlich zunächst die übliche Ursachenforschung betreiben. Da ich mich auf
das Training mit Frauen konzentriert habe und hier erörtern möchte, wie
speziell Frauen geholfen werden kann, aus ihrer Opferrolle zu schlüpfen, möchte
ich auf die psychischen Nöte und erlittenen Kindheitstraumata von gewalttätigen
Männern, bzw. misshandelten Jungen nicht
eingehen. Das würde den Rahmen sprengen und muss an anderer Stelle erörtert
werden.
Ursachenforschung:
Es ist leichter für die Frauen aufgrund ihrer
Biografie, die ja mit geschlechtsspezifischer
Erziehung anfängt, aufgrund gesellschaftlicher
Zwänge, maroden Rollenmustern
und Klischees, und dem krampfhaften
Versuch der Männer die alten
Machtstrukturen ja nicht ins Wanken bringen zu lassen, sich dem Gewohnten
und Vertrauten zu fügen.
Ja, haben nicht im Gegenteil, nur weil wir Frauen
stärker geworden sind, Übergriffe auf uns zugenommen? So scheint es nur, da im
Gegensatz zu früher die Medien mit im Spiel sind, und wir darüber erfahren.
Was ist mit unseren Mitstreiterinnen bei der
Bundeswehr und der Polizei? Fertig gemacht werden sie, gemoppt oder sexuell
belästigt, weil viele Männer Angst haben vor der Verletzung und dem Verlust
ihrer letzten Bastion: Autorität und Kampf!?
Nein, auch Männer, die dem Mackerkult dort nicht
entsprechen und durch Sensibilität leider den Part des Schwächeren übernommen
haben, erleiden das gleiche
Schicksal.
Auf der anderen Seite ist die
positive Entwicklung seit Alice Schwarzer im Stärken des Selbstbewusstseins der
Frau enorm, wenn man bedenkt, dass es Jahrtausende gedauert hat und durch
unseren christlichen Glauben, der ja eigentlich mit Nächstenliebe einhergehen
sollte – aber wohl nicht was das weibliche Geschlecht oder Andersgläubige
betrifft – auch noch untermauert und gerechtfertigt wurde: Die Frau ist dem
Mann Gehorsam schuldig, sonst darf er sie züchtigen, denn schließlich sind wir
Verkörperung allen Bösen und werden schon sündig geboren, denn Eva hat den
Apfel gegessen und den wehrlosen äh, willenlosen Adam verführt.(Ups, der Mann
ist also doch das eigentliche Opfer? Und hat deswegen das Recht auf
jahrtausendwährende Rache?)
Während der Prozedur der
Eheschließung musste die Frau früher Gehorsam geloben, der Mann aber nur Liebe
und Ehre versprechen. Und das Versorgen selbstverständlich. Im frühen
Mittelalter durften wir uns zusätzlich zur aufgezwungenen Ehe in der Kirche auf
den Boden legen und die Arme ausbreiten als Zeichen unserer Unterwerfung und
Anerkennung unseres neuen Herrschers.
Althergebrachte Erziehung, die
natürlich nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun hat: der Mann bringt nicht
mehr notgedrungen das Brot nach Hause und teilt es mit seinem Schwert,
gesellschaftlich sind wir viel anerkannter, wir dürfen seit ca. hundert Jahren sogar
wählen, viele Frauen haben Karriere gemacht und politische Positionen inne. Auch die Ursünde scheint
man uns nun endlich verziehen zu haben, so dass keine Notwendigkeit mehr
besteht, auf Verlangen des Mannes willig zu sein oder bereitwillig Schläge
einzustecken, wenn wir unser schändliches Fehlverhalten nicht im Griff haben.
Gegenwehr war gleichgesetzt mit
tödlicher Bestrafung, die Hemmschwellen für uns Büßerinnen waren gelegt.
Zumindest in unserem westlichen Kulturkreis.
Aber die Menschheit ist träge, was
Veränderungen betrifft und so bestimmen einige Klischees immer noch unser
Unterbewusstsein. Und wir lassen sie in die Erziehung mit einfließen, ohne dass
wir es wollen: Im Mindesten müssen sich Mädchen besser und klüger benehmen als
Jungs. „Die Burschen sind eben aggressiver und haben sich nicht so im Griff.“.
„So sind Jungs halt“, „Jungs sind viel
stärker, da kannst du gar nicht mithalten! Die müssen auch Kämpfen lernen, sonst werden sie keine starken Männer!“
Es gibt immer wieder Frauen die in
meine Kurse kommen und so fest von dieser körperlichen
Übermacht der Männer überzeugt sind, dass sie glauben ein Mann kann mit
einer Hand eine Frau an ihren beiden Handgelenken festhalten und sie ist ihm hilflos ausgeliefert..
Warum sind uns diese Hilflos-sein-Theorien so recht? Die Angst ist der Schlüssel; gepaart mit
Hilflosigkeit und Ohnmacht
hindern wir uns wunderbar daran, uns zu verändern und aggressiv voranzuschreiten. Denn vorher müssten wir ja durch die
Angst gehen, welche schon unter Denkmalschutz gehört, so alt wie sie ist, und
etwas tun, das wir nicht kennen: KÄMPFEN.
Der Angst ins Auge zu sehen will und muss eben gelernt sein.
Nicht jeder hat das Glück oder
Unglück- je aus Sicht
des Betrachters- wie ich, und konnte die lähmenden Hemmungen schon in der
Kindheit ablegen. Wie ich in meiner ersten Technikerarbeit schon beschrieb,
wuchs ich als drittes Mädchen eines sehr Jungs orientierten Patriarchen auf,
und tat alles dafür, mich von meinen Schwestern zu unterscheiden. Also ließ ich in unsrer Siedlung keinen
Bandenkrieg und keine Rauferei aus und kein Baum war mir zu hoch. Ich
bekam mein Lob und hatte positive Erfahrungen gesammelt, die zumindest dazu dienten, Bluffstrategien
zu entwickeln und meine Angst vor dem Duell zu verlieren. So traute ich zuzuschlagen wenn es die
Situation erforderte. Aber es kann damit natürlich nicht einhergehen,
dass nun jeder Mensch im Kindesalter der Hahnenkampfmentalität verfallen soll. Kampferfahrung kann sehr
nützlich sein, gerade weil bei Mädchen Mut und ich- fördernde Aggression
meist immer noch nicht als Tugend gefördert werden. Bei Jungs hingegen steht
die Ehre permanent auf dem Spiel.
Wenn man nicht mutig ist oder sich nicht wehrt, gilt man als feige. „Das lass ich mir nicht bieten, das
kriegt der zurück“, wenn ihnen dabei wenigstens auch anerzogen wird, Mädchen
nicht zu schlagen und daran auch fest zu glauben, wäre das ja schon die halbe
Miete.
Dabei sind so viele Frauen psychisch
eigentlich schon
genug gewappnet um in einem emotionalen Kampf den Mann der sie bedroht, zu
besiegen bevor die Situation äußerlich eskaliert.
Wenn die Frauen mehr Zutrauen in ihre körperlichen
Fähigkeiten zur Gegenwehr hätten und die Männer mehr Zutrauen in ihre
Sprechfähigkeiten, wären so manche Konfliktsituationen ausgeglichener. Aber wie
erreicht man das?
Gegenteilige Erziehung, die den Jungen unterdrückt, ist
natürlich kontraproduktiv und schürt nur wieder unbewussten Frauenhass
und einen ungeahnten Teufelskreis. Gleichberechtigung schon in der Erziehung
ist das angestrebte Optimum.
Gewalt allgemein in der Familie
schafft Erfahrungen, die man so schnell nicht über Bord werfen kann. Für das
Opfer wie für den Täter.
Man (Frau) muss überzeugt von ihren
Fähigkeiten sein, um sich einen Kampf zuzutrauen. Überzeugung (in diesem Fall unsere Ammenmärchen) setzt sich
zusammen aus Überlieferung und Erfahrung.
Aber nicht zu gleichen Teilen. Die eigenen Erfahrungen überwiegen immer mehr, als die überlieferten
Informationen. Leider sind die meisten Erfahrungen, die Mädchen und
Frauen in ihrem Leben gemacht haben, von Unterlegenheit gegenüber den Jungs und Männern
geprägt. Die Macht liegt bei den physisch Stärkeren. Aber Erfahrungen sind
veränderbar und darin liegt unsere Chance. So habe ich zum Beispiel regelmäßig Frauen, die Gewalttaten ausgesetzt
waren, in meinen Kursen.
Diese sind interessanterweise im Training nicht die verschreckten Opfer, denn sie haben eine
unglaubliche Wut im Bauch, die sie an den Pratzen (Schlagpolster) ohne
Hemmschwellen auslassen. Genug Wut im Bauch; der erste Schritt aus der
Opferrolle.
Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zur mutigen
Gegenwehr von Frauen wäre noch der der störendenInstinkte: Der Fluchtinstinkt steht
in direktem Widerspruch zum Kampfeswillen. Durch die hohe Hemmschwelle, sich
gegen einen übermächtigen Gegner zu wehren, haben Frauen mehr Wenn und Aber im Kopf. Lieber nicht
kämpfen sondern wegrennen, obwohl es überhaupt keinen Sinn macht zu flüchten –
denn sie werden von hinten erwischt, es sei denn sie haben grad zufällig die
Meisterschaft in Leichtathletik gewonnen. Oh, erliege ich hier grade einem
Ammenmärchen, der Mann sei sowieso immer schneller? Leider belegt es hier die
Statistik, wenn ein in seiner Persönlichkeit schwer gestörter Mann einer Frau
Gewalt antun will,
verleiht ihm der Trieb Flügel, was bei dem Opfer Panik auslösen, die
Flucht lähmen und die Schnelligkeit schwer beeinträchtigen kann.
Während eines Kampfes
hingegen, bei dem der Fluchtinstinkt zwar noch um Beachtung bettelt, wird ein weiterer Instinkt
freigesetzt, nämlich der des Überlebenswillens.
Der stärkste aller Instinkte,der
ungeahnte Kräfte wecken kann;
Höchstleistung, Konzentration und Ideenreichtum.
Vor allem wenn diese Kräfte vorher intensiv geübt und ein
Kampfverhalten konditioniert wurde. Was mich direkt zu meinen
Lösungsvorschlägen führt. Nicht ohne allerdings einen kleinen Umweg in die
Statistik einschlagen zu müssen, denn das Wissen um die Statistik ist ein
eminenter Vorstoß in Sachen Aufklärung und Überzeugung.
Statistik:
Verlässliche Untersuchungen über
das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen gibt es nicht, die Polizeistatistik, auf die
ich mich hier hauptsächlich stütze, zeigt nur die Spitze des Eisberges. Meine
Quellen stammen hauptsächlich aus dem Internet der offiziellen Seiten der
Polizei, aus der Breitner Studie, Nürnberger Kampagne, aus einer Studie vom
kriminologischen Forschungsinstitut Hannover, aus Berichten der WHO und
Berichten der Frauen und Gesundheitsbeauftragten zur Bekämpfung von Gewalt
gegen Frauen, dem Landesaktionsplan Mecklenburg Vorpommern. Ich hege allerdings
nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen
Ausführung, sondern
möchte die zusammengetragenen Statistiken als Untermauerung meiner „Zebra“-
Theorie nutzen. In einigen Situationen könnte das Wissen um die Statistik, was
passiert, wenn Frauen sich wehren, sicher hilfreich sein bei der Entscheidung
über den Sinn von Flucht oder Verteidigung.
Dazu folgendes fiktives
Gerichtsplädoyer eines Verteidigers von einem Vergewaltiger, welches zig Male
gehalten worden mag und auch leider noch zig Male gehalten wird, wenn Frauen
nicht lernen ihr Potenzial zu nutzen:
„Hat sich die Klägerin gewehrt?
Haben sich auch nur irgendwelche Anzeichen von Gegenwehr der Klägerin bei
meinem Mandanten gezeigt? Nein, keine Kratzspuren oder Bisswunden konnten
gefunden werden. Wenn ich mich nicht wehre, meine Damen und Herren, bekunde ich
damit nicht mein unausgesprochenes Einverständnis?“
Beißen und Kratzen, eine Frau kann
mehr als das. Gab es Anzeichen von Gegenwehr? Ja, eine zertrümmerte
Kniescheibe, zerquetschte Hoden, Auge verloren und Kehlkopf verschoben. So
sollte es eigentlich heißen, denn die Frauen, welche sich aus
verständlichen Gründen nicht gewehrt haben und trotzdem vor
Gericht gehen, müssen sich auch noch gegen Schuldzuweisungen,
Bagatellisierungen und Demütigungen behaupten. Und sie können in der Urteilssprechung – falls es
denn eine geben sollte – leider kaum
Genugtuung finden. Steuerhinterzieher sitzen länger.
Nur 8% der Gewalttaten an Frauen landen vor Gericht.
1 % aller vor Gericht zitierten Gewaltanwender werden mit einer kleinen Freiheitsstrafe verurteilt
(meist noch auf Bewährung bei Ersttätern- war schließlich nur ein Ausrutscher),
bei „einfachen“ Misshandlungen folgen noch weniger Sanktionen und bei
psychischer Gewalt gar keine.
Alte Klischees und Rollenmuster führen immer noch dazu,
dass den Frauen nicht geglaubt wird, wenn sie
sich gewehrt haben, aber keine Spuren aufzufinden sind – Hautfetzen unter den
Fingernägeln kann auch noch als Lustkratzen interpretiert werden
dass eine
Frau die „nein“ sagt, natürlich das Gegenteil meint
dass Frauen mit gesellschaftlicher Ignoranz und
Schuldzuweisung noch zusätzlich bestraft
werden (hatte ja einen kurzen Rock an oder hatte bestimmt aufreizend geguckt,
warum flirtet sie auch, warum geht sie auch alleine aus etc. Was provoziert
Frau überhaupt permanent, hat sie denn immer noch nichts gelernt?)
dass jede siebte Frau in ihrem Leben mindestens
einmal Opfer von einer Vergewaltigung oder einer sexuellen Nötigung wird
dass Männer, die Gewalt gegen Frauen und Kinder
ausüben, häufig mit dem schamhaften Schweigen der Opfer rechnen können. Scham
über die eigene Hilflosigkeit und Schwäche. Psychoterror im häuslichen Bereich
in Form von Kontrolle oder Gewalt von Seiten des Mannes ist ein altbekanntes Muster, denn
wer Angst hat, lässt es mit sich machen. Da haben wir wieder den
Kreislauf von Schuld und Mitschuld
Die Hemmschwellen der Gegenwehr und all
ihre Ursachen sind absolut kontraproduktiv. Sie fördern kein Selbstbewusstsein,
sondern Selbstschuld.
Denn die
Wahrheit, welche durch statistische und psychologische Untersuchungen endlich
belegt werden kann, ist,
dass psychische Verletzungen vor Gericht und
auch bei ärztlichen Untersuchungen keine Rolle spielen (bei den Attesten sogar
implizit ausgeklammert werden). Anzeigen werden nur mit Attest aufgenommen und
nur wenn das Opfer selber Anzeige erstattet. Zeugen werden kaum beachtet, wenn
keine offensichtlichen Spuren am Körper des Opfers auffallen (so habe ich erst
kürzlich versucht einem Mädchen zu helfen, die auf der Straße von ihrem Freund
gegen die Mauer gestoßen und mehrfach ins Gesicht geschlagen wurde, indem ich
bei der Polizei als Zeugin auf eine Anzeige bestehen wollte, aber: ohne Blessur
keine weiteren Schritte!).
dass der seelische Schaden von Vergewaltigung
nie verjährt. Wer seine Chance verpasst(Gegenwehr / Anzeige), wird ein Leben
lang unter Selbstverachtung leiden
dass die Täter oft ihr Messer beiseitelegen,
weil sie sich ihrer so sicher sind
dass die Täter keine Gegner wollen, sondern
Opfer
dass 70 % der Übergriffe durch massive Gegenwehr abgewendet werden können
dass Opfer, die sich bei der Tat gewehrt haben,
auch später vor Gericht kämpfen, auf allen Instanzen
dass Opfer ohne Gegenwehr auch hinterher
tatenlos und hilflos bleiben. Nach Dunkelzifferschätzungen werden vermutlich
weniger als 2 % aller Gewalttäter vor Gericht zitiert
dass wer sich einmal von seinem Partner Gewalt
antun lässt und bei ihm bleibt oder wieder zurück geht, mit großer
Wahrscheinlichkeit zum Mehrfachopfer wird
dass viele Frauen nach einer Vergewaltigung
nicht nur schwanger, sondern auch noch mit Aids infiziert werden
dass besagte geringe Freiheitsstrafen ein
Freibrief für alle Gewalttäter ist
dass in Paarbeziehungen
fast jede dritte Frau in Deutschland einmal in ihrem Leben Opfer körperlicher
oder sexueller Gewalt wird. Die Formen der Gewalt reichen von einer Ohrfeige
über Würgen bis hin zum Waffengebrauch. Misshandelte Frauen erleben körperliche
Gewalt durchschnittlich sechs Mal pro
Jahr und sexuell misshandelte Frauen durchschnittlich
ein Mal pro Jahr. 30 % dieser Partnerübergriffe zu Wiederholungstaten werden.
Psychische Gewalt erleben etwa 26 % aller Frauen in Partnerschaften, in Form
von Drohungen, Einschüchterungen und Demütigungen. Weltweit sind es 30 bis 50 %
aller Frauen, die psychische Gewalt durch ihre Partner oder männliche
Familienmitglieder erfahren müssen. Der gefährlichste Ort für eine Frau ist
mitunter das eigene Zuhause. Gewalt
gegen Frauen ist eines der häufigsten Kriminalitätsdelikte.
Irrglaube und klischeehafte, veraltete
Einschätzungen weichen oft erheblich von den tatsächlich aufgestellten
Statistiken ab und stehen im krassen Widerspruch, wie z. B.
dass der Anteil des großen Unbekannten ca. 70
% ausmache. Im Gegenteil, mehr als 60 % der Täter waren dem Opfer bekannt.
Mit steigendem Bekanntschaftsgrad nimmt die Dauer, die Intensität und der
Aggressionsgrad und somit die Brutalität auch noch zu. Im Familien- und
Bekanntenkreis liegt die geschätzte Dunkelziffer mindestens fünfmal so hoch wie
die offiziell angezeigten Übergriffe, somit sind höchstwahrscheinlich nur 7 %
der Täter völlig fremde Personen. 82 % der Täter wohnen in der gleichen
Gegend
dass an öffentlichen Einrichtungen die Gefahr
am größten sei. Im Gegenteil, 41 % der Übergriffe finden im absoluten
sozialen Nahbereich statt. 56 % der Vergewaltigungen finden in seiner oder
ihrer Wohnung statt.
Dass eine Vergewaltigung meist spontan durch
eine zufällige Gelegenheit begünstigt passiert. Falsch! Die meisten
Vergewaltigungen werden lange vorher und unter genauester Vorbereitung geplant
und zwar zu 82 %
dass Frauen mit aufreizender Kleidung
mögliche Täter provozieren. Stimmt nicht und passt auch nicht zum Opferbild
eines Täters. Täter suchen sich gezielt Opfer aus, bei denen sie sicher sein
können, auf keinerlei Gegenwehr zu stoßen, auf Grund ihres Aussehens,
Auftretens und Verhaltens. Zu einem modisch auffälligem, oder besonders
attraktivem Outfit gehört Mut und Selbstbewusstsein, beides Eigenschaften, die sich ein Täter wohl eher
nicht wünscht. Die „graue-Maus-Kleidung“ passt schon eher in die Opfersuche
(was Polizeifotos von Opfern deutlich belegen)
dass Vergewaltiger Triebtäter sind, psychisch
Kranke, die ihre sexuelle Befriedigung brauchen. Dieses Klischee wird vor
allem von den „normalen“ Männern geschürt um sich von Vergewaltigern abzugrenzen. Und auch wir
würden doch niemals glauben, dass unser netter und stets zuvorkommender, angesehener Nachbar ein perverses Schwein sein
könnte…Täter kommen aus allen Schichten, mit ganz normalen sozialen Verhältnissen und ihre
Tat besteht keineswegs aus sexuellen Triebgelüsten. Es geht um Machtausübung
gegenüber der Frau.
Dass
Gegenwehr die Gewalt hochschaukelt und verstärkt. Dieser Spruch wird vor
allem von den Tätern selbst als Einschüchterung benutzt. Wie die Statistik
belegt, geben 2 von 3 Tätern auf, sobald es ihnen zu schwierig wird oder sie
auffliegen könnten, sich der Machtunterschied verschiebt und sie sich plötzlich in der
schwächeren Position befinden.
Dass mich bestimmt irgendjemand rettet.
Irrtum, die meisten Menschen haben keine Zivilcourage und Nachbarn scheinen davon völlig
frei zu sein.
Die
Gegenwehr-Statistik aber belegt,
dass Schreien in jedem zweiten Fall erfolgreich
ist, aber nur bei der Hälfte aller Übergriffe von den Frauen eingesetzt wird
(gelähmt vor Angst und stumm)
dass Weinen und leichter bis gar kein Widerstand
keine einzige Tat
aufhält
dass ohne Gegenwehr, bzw. nur mit verbalen
Umstimmungsversuchen seitens des Opfers die Tat zu 81 % ausgeführt wird –
Abbrüche der Tat ergeben sich meist nur durch Störungen von außen
dass bei leichter bis mittlerer Gegenwehr, eher passivem Einsatz der Stimme,
Arme, Beine oder des gesamten Körpers und Werkzeugen die Tat zu 68 % ausgeführt
wird
dass massive Gegenwehr dagegen (dabei
handelt es sich noch nicht einmal um geübte Kampfsportlerinnen) in 2 von 3
Fällen zum Abbruch der Tat
führt (auch Finten sind teilweise erfolgreich). Energischer Einsatz der Stimme,
von Kratzen, Beißen und immerhin Treten oder Schlagen, lässt den Täter zu 86% aller Fälle
aufgeben.
Fazit:
Das Zebra musste nicht üben. Sein
Überlebensinstinkt war größer bzw. perfekt gepaart mit dem Fluchtinstinkt. Und das wider allen
tierischen Gesetzmäßigkeiten. Jetzt lebt es nicht nur weiter, sondern ist auch
eine Erfahrung reicher. Wir Menschen dagegen sind ja eigentlich intelligenter,
mit unserer enormen Hirnmasse. Warum setzen wir also diese Intelligenz nicht ein, sondern warten darauf, dass uns
das Krokodil erstmal in seinen Fängen hat? Unser kompliziertes Gehirn spielt
uns Streiche, denn es ist zusätzlich beherrscht von unserer Psyche, die
wiederum aus Bewusstsein und Unterbewusstsein besteht.
Wir sollten umdenken:
Contra den einschränkenden
und Angst machenden Ammenmärchen, Contra Resignationen, Contra Minderwertigkeitsgefühlen,
Contra den störenden Instinkten und krampfhaft aufrechterhaltenden
Machtstrukturen. Schlagen wir den verschiedenen Bewusstseinsebenen ein
Schnippchen und erneuern unsere Sichtweise: Überzeugung und Information,
Aufklärung und Übung, positive Erfahrungen durch Gegenwehr, neue
Konditionierungen, Hemmschwellen eliminierende Gedankenmuster und last but
never not least Wing Tsun.
Dieses Rezept ist die Basis meines
Trainingskonzeptes. Damit Frauen endlich Mut zur Gegenwehr schöpfen können.
In den ersten 15 Jahren war ich fasziniert von der Genialität des Wing Tsun Kampfstils. Jede neue Technik musste sich mir logisch erschließen. Ich wollte den Beweis dafür, dass sie tatsächlich für Frauen ebenso funktioniert wie für Männer. Im Sparring musste ich so manche Niederlage hinnehmen. Es dauerte seine Zeit, bis ich mich mit der erlernten Technik wirklich gegenüber der Kraft eines trainierten männlichen Gegners durchsetzen konnte. Im wahren Leben hatte ich derweil zwei Auseinandersetzungen, bei denen ich tatsächlich ernsthaft zulangen musste. Hier zu gewinnen war viel leichter, als im „Ring“ beim Training. Lektion gelernt. Adrenalin und Überraschungseffekt waren auf meiner Seite. Meine Technik war abrufbar ohne nachzudenken. Ich hatte den Beweis, nach dem ich so lange gesucht hatte.
Doch nicht immer werde ich auf den Überraschungseffekt zählen können. Für mich umso mehr Grund weiter zu üben.
Üben, üben, üben – wo man gerade geht und steht!
Besonders schön fand ich die Trainingscamps, die eine oder zwei Wochen intensivstes Training bedeuteten. Was wir hier lernten war intensiv. Und gespeichert. Abrufbar bis in alle Zeiten. Nein Quatsch. Aber natürlich nachhaltiger als kurze Tageslehrgänge. Tolle Freundschaften und schöne Ferien mit eingeschlossen.
Inspirationen aus dem Trainingscamp Kroatien mit Sifu Thomas Schrön
In den darauffolgenden Jahren habe ich mich mehr und mehr mit Verhaltensforschung und Sozialpsychologie beschäftigt und Erkenntnisse aus diesen Bereichen in mein Training einfließen lassen.
Eine ganze Reihe von Forschern versteht Verhalten als Interaktion zwischen Organismus und Umwelt, als eine Veränderung, die auf Außenreize folgt. Verhalten ist in diesem Sinne erst einmal jede wahrnehmbare Aktivität von Menschen und Tieren.
Wir reagieren aber nicht nur offen und direkt auf unsere Umwelt!
Selbst wenn wir keine äußere Regung zeigen, kann dennoch unser Denken auf Hochtouren laufen: Wie komme ich am besten aus dieser misslichen Lage wieder raus?
Wie zeige ich, dass ich kein Opfer bin? Wie soll ich am besten handeln? Ich analysiere die Situation und mache mir einen Plan… verdeckt und von außen unbemerkt.
Die fehlende Regung kann ganz unterschiedlich verstanden werden. Ich kann tun, was ich will: ich kann mich einfach nicht nicht verhalten!
Verhalten wird daher teilweise auch klar von Handlung unterschieden. Während Verhalten auch verhalten sein kann, setzt Handlung eigenes, aktives, auf ein Ziel ausgerichtetes Zutun voraus.
Kommunikation von Tieren lernen
In meinen Trainings führe ich oft Beispiele an, wie Tiere untereinander kommunizieren, um Konflikte zu vermeiden oder so zu lösen, dass ernsthafte Verletzungen vermieden werden. Die aktuelle Verhaltensforschung zeigt, dass die Grenzen zwischen Mensch und Tier dabei fließend sind und nicht, wie früher postuliert, klar. Die auffälligen Parallelen liefern Anregungen, wie Mimik und Gestik verstanden und gezielt eingesetzt werden können.
Körpersprache wird unbewusst gesendet
Nonverbale Botschaften sind schnell. Sie werden schneller gesendet und schneller verstanden als Sprache. Bewegungen und Haltungen, Gegenstände und Umgebung, die Distanz von Individuen zueinander im Raum sind einige der Informationen, die wir fortlaufend und meist unbewusst analysieren. In Sekundenbruchteilen vermitteln Menschen größtenteils nonverbal ihre Einstellungen, Emotionen und das Ausmaß ihres Selbstbewusstseins. Und damit bestimmt die persönliche Ausstrahlung auch, wer gerade eine Situation in welcher Weise steuert. Das Ziel ist es die unterbewussten Signale ins Bewusstsein zu holen und nun bewusst Signale zu senden.
Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken, weil ich in die WT Familie so herzlich aufgenommen wurde, weil mir all die positiven Feedbacks der Frauen aus meinem Unterricht Glück geben, weil mir durch Wing Tsun eine so wichtige Aufgabe (Lebensaufgabe) zu Teil wurde, weil ich einen Beitrag zum Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern leisten kann.